Ökonomien der Wiederholung – Kulturübergreifende Studien zu Praktiken und Phänomenen der Kopie und des Nachahmens im Altertum
Die Projektverantwortlichen setzen mit der Hypothese an, dass Wiederholungen in den Kulturen des Altertums keine Störfaktoren im kulturellen Fortschritt und nicht moralisch negativ aufgeladen sind, sondern dass vielmehr diese Kulturen in ihrer Kontinuität und Selbstvergewisserung auf Praktiken und Phänomenen des Wiederholens beruhen. Wiederholung in ihren verschiedenen Ausgestaltungen ist damit eine Kulturtechnik, die einen entscheidenden Anteil an den Formen der kulturellen Äußerung hat. Wie diese jeweils strukturell ausgestaltet und in einzelnen Gesellschaften situiert ist, diese Frage fassen wir unter dem Stichwort Ökonomie(n) des Wiederholens. Untersucht werden sollen also – auch unter Verwendung digitaler Tools – die Strukturen, Dimensionen und Formen, in denen Gesellschaften sich durch Wiederholungen stabilisieren und Gleichgewichte zu Veränderungen und Anpassungen an veränderte Bedingungen schaffen; sowie die Faktoren, in denen Wiederholungen in Frage gestellt werden und in Krisen geraten. Die Antragstellenden sind davon überzeugt, dass die Prägung durch das Paradigma der Originalität nur dadurch hinreichend in der Forschungspraxis reflektiert werden kann, dass kulturübergreifend gearbeitet wird, so wie es in dieser Form derzeit fast nur in Berlin möglich ist. In diesem Sinn sollen in der Auslotungsphase drei Bereiche durch den Vergleich zwischen chinesischer, altorientalischer, altägyptischer, griechischer und römischer Kultur fokussiert werden: 1. Die Praktiken des Wiederholens als Momente der Stabilisierung von Gesellschaften; 2. Die Bewertung dieser Praktiken in den Selbstbeschreibungen der Kulturen und 3. Die Analyse, welche Bedeutungen Wiederholungen und ihre Bewertungen für die Gliederung von Kulturen in Epochen besitzen und welche Rolle die Krisen des Wiederholens und Kopierens für diese Ordnungen spielen.
Damit kann aus der historischen Perspektive auch ein neues Licht auf gegenwärtige Phänomene wie die Stigmatisierung von Praktiken des Plagiierens und die ästhetische und wissensgeschichtliche Auszeichnung des Originals gegenüber ‚bloßen‘ Kopien geworfen werden.