Workshop "Crisis Management: Ritualization and States of Exception in Ancient Cultures"
Im Rahmen des Test Topics "Krisen-Management: Ritualisierung und Ausnahme in antiken Kulturen" findet am 12. und 13. November ein Online-Workshop statt, der sich mit der Frage beschäftig, wie vergangene Gesellschaften auf Krisen und Katastrophen reagierten und welche Beweltigungsmethoden sie entwickelten.
Wir leben derzeit in einem völlig unerwarteten Ausnahmezustand, der von unserem normalen Alltag absticht und radikales Umdenken erfordert, im Haushalt, im öffentlichen Raum und schlicht systemumgreifend. "Corona" ist ein Synonym für die Änderung unserer selbstverständlichen Lebenspraxis. Das Virus öffnet uns die Augen durch seine Umkehrfunktionen: das Treffen zu einem Gespräch in der Bar war Alltag und wird plötzlich zur Ausnahme, während der Tod sich wieder in ungeahnter Weise als alltäglich zu erkennen gibt.
Statt gebannt auf diese Umwälzung des Lebens zu schauen, deren Überleitung in eine alte oder neue Routine wir noch gar nicht abschätzen können, laden die Altertumswissenschaften der FU Berlin dazu sein, sich Gedanken zu strukturell ähnlichen Phänomenen in der Vergangenheit zu machen: welche Mechanismen entwickelten vergangene Gesellschaften, um sich gegen derartig umfassende Ereignisse zu wappnen, die als Krisen, wenn nicht Katastrophen über Kollektive hereinfielen? Spezifischer: sind Rituale Methoden der Einübung in das Außergewöhnliche gewesen?
Folgende vier Punkte fassen das Workshop-Thema zusammen:
- Ritualhandlungen können stark instrumentelle Züge aufweisen, die das Aufziehen von Krisen a priori vermeiden sollen. Hierzu gehört der große und vielschichtige Bereich von Opferhandlungen. Zu fragen ist dabei nach der Ordnungsleistung des Opfers, das gewissermaßen als Versicherung gegenüber den Göttern abgeschlossen wird und das Funktionieren einer Gesellschaft nach außen wie innen gewährleisten soll. Wie genau verhalten sich dabei Aufwand und Nutzen und welchen symbolischen, semantischen und performativen Überschuss produzieren solche Rituale? Inszenieren und verwalten sie – trotz ihrer Regelhaftigkeit – die Ausnahme und, wenn ja, wie wird diese Grenzüberschreitung markiert?
- Rituale werden eingesetzt, um periodische und damit einigermaßen vorhersehbare Krisen im Alltag zu gestalten und sie zu meistern. Hierzu gehören vor allem die rites de passage, die – gerade im Falle des Todes und der Bestattung – eine Überbrückungsleistung von einem alltäglichen Zustand in einen kritischen vermitteln. Andere rites de passage haben die Funktion, Rollentransfers von Individuen zu ermöglichen, ohne die zugrundeliegenden sozialen Strukturen in Frage zu stellen. Welche Aspekte von Ritualen stellen eine erfolgreiche Brückenposition bei der Rückführung in die Normalität sicher?
- Rituale können Alltagshandlungen abwandelnd imitieren. Ein gutes Beispiel hierfür sind Feste, in denen die strukturelle Grundlage das alltägliche Mahl darstellt. Auf welche Weise werden Alltagshandlungen modifiziert, um den Ausnahmefall des rituellen Mahls aus der Unhinterfragbarkeit des Alltags abzuheben, und was sind potenzielle soziale Auswirkungen hiervon?
- Rituale erfordern oftmals einen erheblichen Arbeits-, Zeit-, Raum- und Organisationsaufwand. Es handelt sich meist nicht einfach um eine Distanzierung vom Alltäglichen, sondern es entwickeln sich komplexe materielle Strukturen wie große Gebäude (Tempel), Landschaftsheiligtümer und andere Paraphernalia, die das Ritual in seinem Ablauf auch lenken und diachron stabilisieren. In welchem Verhältnis stehen diese materiellen und strukturellen Ausnahmebedingungenzu einem als „normal“ wahrgenommenen Leben? Und schließlich: Was bedeutet die Einrichtung ritueller Strukturen (der Ausnahme) für die Ökonomien von Gesellschaften?
Programm:
12 Nov 2020 (Thursday)
11.45
Log in12.00 – 12.30
Susanne Gödde, Reinhard Bernbeck: Opening remarksSession 1: Disease, Contagion and Purity
12:30 – 12.45
Nicole Brisch (Copenhagen): Ritual and Hygiene in Ancient Mesopotamia12.45 – 13.00
Mark Geller (London/Berlin): Responding to Crisis: Infectious Diseases in Ancient Mesopotamia13.00 – 13.45
Discussion13.45 – 14.30
Lunch Break14.30 – 14.45
Philip van der Eijk (Berlin): Crisis and Crisis Management in Graeco-Roman Medicine14.45 – 15.00
Esther Eidinow (Bristol): A Crisis of Trust: Mistrust, Uncertainty and Impurity in Ancient Greek Religion15.00 – 15.15
Marietta Horster (Mainz): Coping with Jupiter’s Portents and Threats15.15 – 16.15
Discussion16.15 – 16.45
Coffee BreakSession 2: Mayhem at the Large Scale: Its Historical and Anthropological Face
16.45 – 17.00
David Fontijn (Leiden): Horsemen of the Apocalypse – a Deep History?17.00 – 17.15
Evangelos Kyriakidis (Kent): Ritual as a Tool for Crisis Management: an Extreme Example from Minoan Crete17.15 – 17.30
Ömür Harmanşah (Chicago): Excavating the Earth: Rituals of Apology vs. Unfettered Resource Extraction17.30 – 18.30
Discussion13 Nov 2020 (Friday)
Session 3: Cosmic Forces: Their Construction and Domestication through Rituals and Technology
12.00 – 12.15
Susanne Bickel (Basel): Ritual Responses to Crises and Natural Catastrophes in Egypt12.15 – 12.30
Dagmar Schäfer (Berlin): Hanging by a (Silken) Thread: Prevention and Crisis in 13th Century East Asia12.30 – 12.45
Brigitta Schütt (Berlin): Reducing Drought Vulnerability – Implementing Water Management Strategies12.45 – 13.45
Discussion13.45 – 14.30
Lunch BreakSession 4: Power Rituals in Times of Crisis
14.30 – 14.45
Richard Bussmann (Köln): Making Crisis Relevant: Temple Ritual, Local Life and the Early State in Ancient Egypt14.45 – 15.00
Cale Johnson (Berlin): Is Resilience Semiotic or Economic? Feeding the Gods in Late Uruk Mesopotamia15.00 – 15.15
Constantin Willems (Marburg): Managing Crises by Way of Ritualization and Exception in Roman Inheritance Law15.15 – 16.15
Discussion16.15 – 16.45
Coffee Break16.45 – 17.00
Cosima Möller (Berlin): The Crisis of the confarreatio Marriage: a Ritual through the Ages17.00 – 17.15
Edward Swenson (Toronto): Rites of Intensification Revisited: Ritual, Order, and Alterity17.15. – 18.15
Discussion / Final Discussion
Die ungewöhnlichen Vortrags- und Diskussionszeiten liegen an der Online-Natur des Workshops und den großen Zeitunterschieden der Orte der Teilnehmenden.
Aufgrund der anhaltenden Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus wird die Veranstaltung per Videokonferenz via Webex abgehalten. Anmeldungen schicken Sie bitte an: sekretariat@berliner-antike-kolleg.org.
Zeit & Ort
12.11.2020 - 13.11.2020
Online